Der neue Hype aus Korea? Eight Constitution Medicine

Akupunktur, Schröpfen, Ginsengtee: Die „Eight Constitution Medicine“, eine neue Gesundheitslehre aus Korea, unterliegt ganz eigenen Regeln – und ist im Westen bisher kaum bekannt. Sind Sie bereit für das ultimative Bodyprogramm? 

Jetzt kommt Südkoreas Antwort auf Ayurveda. Während das Land, was Kenner für dynamischer als China halten, in den letzten Jahren vor allem mit innovativer Anti-Ageing-Pflege positive Schlagzeilen machte, folgt nun ein ganzheitliches Schönheitsgeheimnis. Keine bizarren „Wunderwaffen“ mehr also wie Schneckenschleim, Kamelmilch und Pferdeöl, über die gern reißerisch berichtet wurde, sondern die sogenannte „Eight Constitution Medicine“, kurz ECM. Ihre Prinzipien wurden bereits in den 1960ern formuliert, dennoch gilt sie im Westen als absoluter Geheimtipp. Nur Gwen Stefanie und einige wenige Kollegen aus dem US-Showbusiness haben ihr leibliches Wohl bereits in die Hände von Dr. Dowon Kuon gelegt.

Eight Constitution Medicine

Als das Sehvermögen des praktizierenden Mediziners und Krebsforschers aus Seoul mit Anfang 40 rapide abnimmt und niemand die Ursache finden kann, experimentiert er selbst mit seinem Körper. Er testet neue, bisher kaum angewandte Akupunkturtechniken und vertieft sich in die Pulsdiagnose – beides wichtige Grundpfeiler der asiatischen Medizin. In seinen Studien findet der Arzt zunächst heraus, dass jeder Mensch einen von acht Pulsrhythmen besitzt, der ein Leben lang unverändert bleibt. Damit weicht er von Kollegenmeinungen ab, welche die Pulsqualität als wechselhaft definieren, je nach Befinden, Alter oder Tageszeit.

Kuons noch viel wichtigere Folgerung ist jedoch, dass die Organe jedes Menschen in ihrer Funktion von Geburt an unterschiedlich stark ausgeprägt sein müssen. Diese Imbalance (koreanisch: Chang Bu) sei kein Problem, solange von Natur aus stärkere Organe nicht zusätzliche Power bekommen oder eher schwache über Gebühr belastet werden. Dann drohen chronische Müdigkeit, Hautunreinheiten, Verdauungsbeschwerden und ernsthafte Krankheiten. 

Die Konstitutionslehre

Kuon unterscheidet acht verschiedene Konstitutionen: Hepatonia kennzeichnen eine starke Leber und eine schwache Lunge. Bei Pulmotonia ist es umgekehrt. Cholecystonia profitiert von einer kräftigen Gallenblase, leidet dafür unter einem schwachen Darm. Genau andersherum bei Colonotonia. Pancreotonia wiederum hat eine robuste Bauchspeicheldrüse und schwache Nieren. Im Gegensatz zu Renotonia. Und schließlich Gastrotonia mit kräftigem Magen aber kleiner Blase, sowie das Pendant Vesicotonia.

Alle bestimmt Dr. Dowon Kuon, in dem er über die Arteria radialis (Speichenarterie) beider Handgelenke die verschiedenen Pulsschläge misst. Ihre Kombination ergibt die Konstitution. Seine akribisch notierte Forschungsarbeit ist auch für Kuon persönlich ein Erfolg, sein Sehvermögen verbessert sich. Aus dem mutigen Alleingang wird in den Folgejahren eine neue medizinische Fachrichtung, die „Medizin der acht Körpertypen“. 

Ein halbes Jahrhundert ist das bereits her. Das Konzept reiht sich damit in die großen Heilkünste Asiens ein und kann sogar als deren Weiterentwicklung gesehen werden. So unterscheidet etwa das indische Ayurveda nur drei unterschiedliche Konstitutionen, die „Doshas“.

Fortschritt aus Fernost

„Das westliche Gesundheitssystem nimmt leider oft zu wenig Rücksicht auf den individuellen Menschen, man neigt zur Gleichmacherei beim Verschreiben von Heilmethoden. Dabei ist unstrittig, dass kein Mensch wie der andere reagiert“, sagt der Arzt und Buchautor Dr. Peter Eckman aus San Francisco, einer der wenigen „Westler“, die bei Dr. Dowon Kuon studiert haben. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür sei der Impfstoff Penizillin.

Ernährung nach der Eight Constitution Medicine

Besonders die Mahlzeiten haben großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit aller Organe, weshalb auch die ECM auf individuelle Speisepläne setzt. Diese ordnen jeder Konstitution positiv und negativ wirkende, also unbedingt zu meidende Lebensmittel zu. „Für Pulmotonia-Typen bedeutet das etwa, viel Gemüse, wenig Fleisch. Genau entgegengesetzt lautet die Empfehlung bei Hepatonia-Menschen. Und bei Cholecystonia-Typen können Fisch und Meeresfrüchte zu Hautproblemen und Übergewicht führen.

Dass eine vegetarische Ernährung generell die beste ist, können wir also nicht bestätigen,“ erläutert Woojun Kuon, medizinischer Direktor der Jesun ECM Clinic in Los Angeles und Sohn des Erfinders der Acht-Konstitutions-Lehre. Gewürze, Alkohol, eher nur warme oder nur kalte Speisen und Getränke – für jeden Typus sieht der Ernährungsplan anders aus. Zusätzlich sollen Akupunktur, Sport und das passende Pflegeritual die Selbstheilungskräfte des Körper aktivieren. Ein Hepatonia-Typ fühlt sich besser und leichter, wenn er schwitzt. Etwa im heißen Bad. Dagegen sollen Colonotonia- und Renotonia-Typen in kaltem Wasser schwimmen. Auch Sonnenbaden ist für viele tabu.

In der Praxis

Bevor ein Leben komplett auf den Kopf gestellt wird, fügt der Experte hinzu, müsse der Arzt den Menschen, der diese besondere Korea-Diät zu sich nimmt, kennen und verstehen. Beispielsweise Gwen Stefani, die in der von Kuon Junior geführten US-Dependance in L.A. ein und aus geht. Welcher bodytype bei der Sängerin diagnostiziert wurde, bleibt geheim. Schließlich unterliegt er wie alle anderen Mediziner der Schweigepflicht.

In Kuons Heimat ist die „Eight Constitution Medicine“ längst ein Hit fürs Wohlbefinden, außerhalb von Südkorea fehlen oft qualifizierte Praxen, die den Körpertyp eines Patienten exakt bestimmen können. Denn: Mit der in Europa und Amerika bekannten Traditionellen Koreanischen Medizin hat die ECM wenig gemein. Zur behutsamen Selbstdiagnose empfiehlt Dr. Eckman: „Viele Dos und Dont’s kann jeder durch Weglassen und Hinzufügen und das Spüren des Unterschieds ermitteln. Solange Sie bei Unwohlsein aufhören!“ Der überzeugendste Botschafter für die „Eight Constitution Medicine“ bleibt derweil ihr Begründer selbst. Dowon Kuon ist gerade 97 Jahre alt geworden.

Mehr Informationen und detaillierte Ernährungspläne unter www.ecmed.org.

Foto: unsplash.com/Jakub Kapusnak