Was lange währt, klingt endlich gut! So lautet selbst das Fazit der Kritiker von Hamburgs neuem Wahrzeichen, der Elbphilarmonie
Im Januar 2017 wurde in Hamburg nach rund zehn Jahren Bauzeit die Elbphilharmonie eröffnet. Hochkarätig sind nicht nur die Ensembles, die zukünftig hier aufspielen werden, sondern auch das Mega-Bauwerk selbst. Seine drei Schöpfer sind wahre Meister ihres Fachs.
Dass einmal Spitzenorchester aus aller Welt am westlichen Ende von Speicherstadt und Hafencity zusammenkommen würden, das hätte vor 10 Jahren wohl niemand für möglich gehalten. Niemand – bis auf zwei Personen: Für die renommierten Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron schien der Ort mit unverbaubarem Elbblick damals wie heute perfekt für ein Konzerthaus der Extraklasse. Bekannt ist das Duo aus der Schweiz vor allem für spektakuläre Bauten wie die Allianz-Arena in München, das 56 Leonard in New York oder das Nationalstadion in Peking. Die Handschrift von Herzog de Meuron: futuristisch, eigenwillig und im besten Sinne auffällig.
Wie begehbare Kunstwerke erheben sich ihre Bauwerke aus dem oft grauen Stadtbild. So auch die 110 Meter hohe Elbphilharmonie, die mit ihrem wellenartigen Glasdach und den schillernden Silber- und Blautönen ihrer Außenhülle imposant über dem Hafen thront. Schon von Weitem ist sie als neues Wahrzeichen der Hansestadt sichtbar. Ein Projekt, über das viel geschrieben wurde – und das mindestens so viele spannende Facetten hat wie seine im Sonnenlicht glitzernde Fassade.
Vergangenheit trifft auf Zukunft: Die stoischen Grundmauern der Elbphilharmonie stammen vom historischen Kai(ser)speicher A, der ursprünglich als Lagerhaus für Kakaobohnen, Tee und Tabak diente. Mit dem Boom der Container verlor der wuchtige Backsteinbau jedoch immer mehr an Bedeutung und stand seit den Neunzigern schließlich leer. Mit dem Umbau zur Philharmonie erweckten Herzog de Meuron diesen Ort unweit der Landungsbrücken wieder zum Leben.
Beeindruckend ist vor allem das Dach des Multi-Millionen-Bauwerks: Mit einer Fläche von 16.000 Quadratmetern ist es so groß wie zwei Fußballfelder. Viele der Glasflächen wurden bei 600 Grad erhitzt, um sie in die richtige Form zu biegen. Optisch erscheint die gigantische Konstruktion federleicht und zerbrechlich – doch dieser Eindruck täuscht. Mit bis zu 1,2 Tonnen hielt das Dach im Stresstest selbst Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 Stundenkilometern stand. Auch sintflutartiger Regen bringt die Elbphilharmonie nicht ins Schwimmen.
Das Herzstück des Bauwerks ist der Große Saal, der nach der sogenannten Weinberg-Architektur aufgebaut wurde: Im Gegensatz zu klassischen Sälen liegt die Bühne in der Mitte, die Zuschauer sitzen auf verschachtelten Terrassen ringsherum. Verantwortlich für dieses ausgefallene Innenleben ist der Star-Akustiker Yasuhisa Toyota. Kaum jemand weiß besser, wie Musik klingen muss, damit sie für Gänsehaut sorgt. Schließlich sorgte der Japaner bereits in der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, im Sidney Opera House oder der Bing Concert Hall an der Stanford-Universität für perfekten Klang. „50, 60 oder 70 auf vier Kontinenten“, antwortet Toyota, wenn man ihn fragt, wie viele Konzertsäle er in seiner Karriere entworfen hat. Das Ziel seiner nunmehr siebenjährigen Mission an der Elbe klingt einfach und gleichzeitig kompliziert: optimaler Hörgenuss – ohne jegliche Abstriche. Ob in der ersten, der zehnten oder der allerletzten Reihe.
Für so viel klangtechnische Demokratie sollen rund 10.000 individuell gefräste Gipsplatten sorgen, die bei genauerem Hinsehen eine hügelige Mondlandschaft aus insgesamt einer Million Vertiefungen, Riefen und Kegeln offenbaren. Die „Weiße Haut“, wie Yashuisa Toyota diese aufwendige Spezialanfertigung nennt, basiert auf millimetergenauen 3-D-Berechnungen an Hochleistungscomputern. Bevor die erste Platte in der Elbphilharmonie montiert wurde, überzeugte sich der 64-Jährige anhand eines fünf mal fünf Meter großen Sperrholzmodells persönlich von der Tauglichkeit seines Konzepts. Als Probanden saßen Püppchen in Filzmänteln auf den rund 2.150 Mini-Sitzplätzen seines Prototyps. Die in diesem Versuch gemessenen Tonfrequenzen vermittelten ihm einen genauen Eindruck vom späteren Klang.
Infos und Tickets: www.elbphilharmonie.de
Fotos: Maxim Schulz (Titel); Herzog & de Meuron